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Anatomische Grundlagen einer gesunden Ernährung

Artikel von Prof. Dr. Klaus Steger,
Justus-Liebig-Universität Gießen

Seit einer Veränderung der Erbsubstanz vor ca. 50-60 Millionen Jahren ist unser Körper nicht mehr dazu in der Lage, die Vitamine C und B12 selbst herzustellen. Da Vitamin C nur in Pflanzen vorkommt, müssen wir pflanzliche Nahrung zu uns nehmen; Der Mensch ist daher kein Fleischesser. Vitamin B12 hingegen kommt in tierischen Organismen vor. (Ausnahme: Algen. Pflanzliches Vitamin B12 ist für unseren Körper aber nur zum Teil verwertbar). Der Mensch ist daher auch kein reiner Vegetarier.
Da sich die heutigen Menschenaffen erst vor ca. 10 Millionen Jahren von der menschlichen Entwicklungslinie abgespalten haben, gelten die genannten Veränderungen der Erbsubstanz in gleichem Maße für sie, d.h. auch Orang-Utan, Gorilla und Schimpanse müssen Vitamin C und B12 mit der Nahrung aufnehmen. Aus Beobachtungen ist bekannt, dass sich Menschenaffen zu über 70% von Früchten und zu über 20% von Kräutern ernähren, sie sind also Fruchtesser.


Der erste Mensch

Der erste Mensch betrat vor ca. 5 Millionen Jahren die Bühne der Evolution. Es handelt sich um Australopithecus. Die alte Vorstellung von der Jäger- und Sammlerkultur ist jedoch nicht mehr haltbar. Wenn überhaupt, dann war Australopithecus ein sehr schlechter Jäger, denn er war ein sehr schlechter Läufer. Zudem hatte er keinerlei natürliche Waffen wie Krallen oder große Eckzähne und Werkzeuge stellte der Mensch erst zu einem späteren Zeitpunkt her.
Demgegenüber eigneten sich seine Hände mit dem opponierbaren Daumen hervorragend zum Sammeln von Früchten, Samen und Insekten. Sein Mahlgebiss ist untypisch für reine Fleischesser. Diese besitzen stets große Eckzähne zum Festhalten der Beute und scharfe Backenzähne zum Zerschneiden der Nahrung, die sie in großen Stücken verschlingen. Der Bau der Backenzähne ist hingegen untypisch für reine Pflanzenesser. Der harte Zahnschmelz weist auf harte Nahrung wie Samen und Nüsse hin.


Der erste aufrecht gehende Mensch

Vor ca. 1 Million Jahre erschien Homo erectus, der aufrecht gehende Mensch. Dem aufrechten Gang folgte eine Zunahme des Gehirnvolumens von 450 auf 900 ccm. Da das Gehirn ca. 20% der Energie unseres Ruhestoffwechsels benötigt, waren nun mehr Kalorien nötig, um die Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. Homo erectus stellte daraufhin seine Ernährung um und nahm nun mehr Fleisch zu sich, denn während 100g Früchte ca. 400 kJ liefern, enthalten 100g Fleisch ca. 800 kJ. Durch das größere Gehirn besaß Homo erectus nun auch ausreichend Intelligenz, um Werkzeuge für die Jagd herzustellen.
Darüber hinaus entdeckte Homo erectus das Feuer, d.h. Rohkost ist keine natürliche Ernährung des Menschen. Zum einen sind viele Pflanzen in rohem Zustand giftig wie Kartoffeln oder grüne Bohnen und Tomaten. Zum anderen kann in vielen Fällen durch Erhitzen die Verfügbarkeit von Inhaltsstoffen für unseren Körper gesteigert werden. So liefern gekochte Möhren mehr Beta-Carotin (Provitamin A) und gekochter Brokkoli mehr Vitamin E als in rohem Zustand. Auch bei Tomaten steigt die Verfügbarkeit von Lycopin um über 160% an (während der Gehalt an Vitamin C nur um ca. 30% sinkt). Lycopin ist ein sekundärer Pflanzenstoff, der den Tomaten ihre rote Farbe verleiht. Zudem senkt er nachweislich den PSA (Prostata-spezifisches Antigen) Wert, der als Prognosemarker für das Risiko eines Prostatakarzinoms gilt.


Der heutige Mensch (Homo Sapiens

Auch der heutige Mensch (Homo sapiens) besitzt ein Mahlgebiss – daran hat sich seit Australopithecus nichts geändert – und viele Speicheldrüsen, die ein Enzym zum Abbau von Stärke enthalten. Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf die vorwiegend pflanzliche Ernährung des Menschen, da Stärke nur in Pflanzen vorkommt.
Der Bau des Magen-Darm-Trakts ähnelt jedoch dem Verdauungstrakt von Fleischessern: Einfacher Magen, langer Dünndarm, kleiner Blinddarm und kurzer Dickdarm. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Verdauungstrakt des Menschen für die Verdauung von Früchten und Fleisch gleichermaßen geeignet ist.


Allgemeines zur Verdauung der Nahrung

Die Verdauung der Nahrung beginnt in der Mundhöhle (siehe Titelbild). Neben der Zerkleinerung der Nahrung startet bereits die Verdauung von Kohlenhydraten. So bauen die in unserem Speichel enthaltenen Enzyme Stärke zu Traubenzucker ab. Brot schmeckt daher nach längerem Kauen süß.
Über die Speiseröhre gelangt die Nahrung in den Magen, wo die Eiweißverdauung einsetzt. Eventuell mit der Nahrung aufgenommene Keime werden durch die Magensäure (Salzsäure) abgetötet. Zudem werden feste Fette verflüssigt, während die Fettemulgierung im Dünndarm stattfindet.
Im Dünndarm – und NUR hier – erfolgt die Aufnahme der Nährstoffe. Diese werden zunächst der Leber (Entgiftungsstation) und erst dann den Körperzellen zugeleitet. Die wasserunlöslichen Fettpartikel hingegen werden von den Lymphgefäßen gesammelt und an der Leber vorbei über die linke Schlüsselbeinvene dem Blutkreislaufsystem zugeführt.
Der Dünndarm mündet in den Dickdarm ein. Das blinde Ende des Dickdarms wird als Blinddarm bezeichnet. Bei einer Blinddarmentzündung wird jedoch nicht der Blinddarm, sondern lediglich der Wurmfortsatz entfernt. Beim Menschen ist der Blinddarm nicht in die Verdauung involviert, sondern dient vornehmlich als lymphatisches Organ.
Im Dickdarm findet die Wasserrückresorption statt. Sie spielt für unseren Elektrolythaushalt eine entscheidende Rolle, setzt jedoch eine funktionsfähige Darmflora voraus. Störungen der Darmflora resultieren in Diarrhö (Durchfall). Im Enddarm erfolgt die Speicherung von Kot bis zur Ausscheidung.


Das Problem pflanzlicher Nahrung

Alle Lebewesen unserer Erde sind aus Zellen aufgebaut. Während tierische Zellen von einer Zellmembran aus einer Lipiddoppelschicht umgeben sind, besteht die Zellwand von Pflanzenzellen aus Zellulose, die für Säugetiere und somit auch für den Menschen jedoch unverdaulich ist. So sind z.B. die im Salat enthaltenen Vitamine für den Menschen kaum verfügbar, da wir kein Enzym zum Abbau der Zellulose besitzen und somit nicht an die im Zellinneren gespeicherten Nährstoffe herankommen. Diese Tatsache veranlasste den Ernährungscoach Stefan Poth zu der Bemerkung: Der Nährwert von Salat ist vergleichbar mit dem eines Papiertaschentuchs. Aber kaum ein Nahrungsmittel bietet pro Volumen so wenige Kalorien wie Salat, d.h. Salat macht den Magen voll, aber er macht nicht dick! Salat ist daher ein typischer Ballaststoff. Ballaststoffe sind für unseren Körper jedoch kein Ballast. Sie regen die Darmtätigkeit an und beugen Darmkrebs vor, sie senken den Cholesterinspiegel und beugen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor.


Wie lösen Pflanzenfresser das Problem?

Kein Säugetier kann Zellulose verdauen - dazu sind nur Bakterien und Einzeller fähig! Wiederkäuer wie z.B. das Rind beherbergen in ihrem Vormagen (Pansen) Mikro-organismen, die diese Arbeit für ihren Wirt übernehmen. Nach getaner Arbeit befördert sie das Rind (zusammen mit den Nährstoffen) in den (Lab)Magen.
Pflanzenfresser, die keine Wiederkäuer sind wie z.B. das Pferd besitzen ebenfalls Mikroorganismen – jedoch im Blinddarm und im Anfangsteil des Dickdarms. Da die Hauptnährstoffaufnahme im vorgeschalteten Dünndarm erfolgt, nehmen die betreffenden Darmabschnitte stark an Größe zu, um diesen Nachteil auszugleichen.
Die Salzsäure im Magen des Menschen dient u.a. dazu, Mikroorganismen abzutöten. Der menschliche Blinddarm ist nur klein steht wie bereits erwähnt im Dienste der Immun-abwehr. Die Darmflora im Dickdarm spielt zwar eine wichtige Rolle für die Wasserrückresorption, hat aber keinen Einfluss auf die Nährstoffaufnahme im Dünndarm.


Welche Möglichkeiten hat der Mensch?

Durch das Dressing (Essig zur Zerstörung der Zellen und Öl zur Aufnahme fettlöslicher Vitamine) kann die Nährstoffaufnahme nur geringfügig erhöht werden. Kochen (Gemüse) wäre für die Zerstörung der pflanzlichen Zellwände weit besser geeignet, führt jedoch auch zum Verlust vieler Vitamine. Eine gute Alternative ist der Verzehr von Früchten (Obst) und Samen (Nüssen), da diese im Vergleich zu z.B. Gemüse weit weniger so genannte Strukturkohlenhydrate besitzen und somit für unseren Körper deutlich besser verdaubar und die Nährstoffe somit deutlich besser verfügbar sind.


Autor

Prof. Dr. Klaus Steger, Justus-Liebig-Universität Gießen






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